Unser Schiff Frisia V

Leinen Los!

“Alle Mann an Bord und Leinen los!”

Dieser Satz verändert
schlagartig alles. Mit dem Loslösen der Leinen trennen sich nicht
nur symbolisch zwei Welten. Sobald das Schiff ablegt, lässt es die
Landwelt hinter sich und taucht ein in eine andere Sphäre auf dem
Wasser. Nichts von dem, was uns an Land – im Alltag – noch
beschäftigt hat, zählt auf See. Termine, Telefon, Einkaufen gehen,
Uni, Hausarbeiten, Wäsche waschen, Filme gucken, Internet, Autos,
Straßen, Leute… die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. All diese
Dinge scheinen wie vom Bildschirm verschwunden sobald die
Leinen los sind. Hier ist alles anders. Die Zeit tickt anders. Deine
Gedanken sind anders. Die Bewegungen sind anders. Die
Aufgaben sind anders. Das Wetter ist anders. Der Wind… die
Gerüche… der Himmel… die Prioritäten… die Gefühle… – alles ist
anders!
 
Alles was jetzt zählt, umgibt Dich in direkter Weise. Du bewegst dich
auf einem Boot, etwa 12 Meter lang. Dein Fokus liegt nun auf dem
Wind, der das Boot leise durch die Wellen schiebt: Woher kommt
der Wind, stehen die Segel richtig, stimmt der Kurs? Das sind auf
einmal wichtige Dinge. Statt zwanzig Mal in der Stunde auf das
Smartphone zu schauen, schaust Du doppelt so oft auf den
Verklicker oben am Masttopp, der Dir die Windrichtung anzeigt,
oder auf den Kompass. Deine Augen suchen unentwegt den
Horizont ab, suchen nach Landmarken und Peilpunkten,
beobachten das Wetter und die Wolken, halten Ausschau nach
anderen Segelbooten und Schiffen, die den Kurs kreuzen.
Du bist in einem Element mit der See und dem Wetter.
 
Sinnlich…
In der Flaute tropft die Zeit wie Honig durchs Stundenglas und die
Sonne brennt vom Himmel, als wärst Du in der Wüste. Doch zum
Glück bist Du von kühlendem Nass umgeben, was die nötige
Erfrischung bereit hält. Und dann – ein kleines Kräuseln der
Wasseroberfläche, eine leichte Brise – das Schiff nimmt endlich
wieder Fahrt auf. An Land ist es schwer, sich vorzustellen, welche
erlösenden Gefühle dieses kleine Lüftchen auszulösen vermag.

Es wird Abend und die untergehende Sonne taucht das kleine Stück
Steilküste, vor der Ihr vor Anker liegt, in rotes Licht. Die
Wasseroberfläche ist spiegelglatt in dieser geschützten Bucht und
das kleine Beiboot ist beladen mit den wichtigsten Dingen, um am
Strand eine deftige Mahlzeit zu kochen und dem Tag einen
würdigen Abschluss zu verpassen. Kartoffeln, frisch gefangener
Fisch, Rum. Treibholz ist in Hülle und Fülle vorhanden, sodass ein
kleines Feuer schnell entzündet ist. Diese Nacht kann lang
werden…
…und sportlich:
„Die letzte Welle hatte es in sich. Sie ergoss sich über das halbe
Vordeck und ein weiterer Schwall spritzte in die Plicht, wo jedes
Crewmitglied ohne Kapuze sich nun wünscht, eine aufgehabt zu
haben. Ratlose Gesichter schauen sich an. In der letzten halben
Stunde hat der Wind deutlich an Kraft zugelegt und spielt nun mit
dem Boot, als wäre es eine Nussschale. Es bleibt keine Zeit, zu
zögern: Zwei müssen sich mit Sicherungsleinen nach vorne
begeben und das Vorsegel bergen, um es durch ein kleineres zu
ersetzen. Auch das Großsegel muss gerefft werden, damit die
kleinere Segelfläche dem Wind weniger Angriffsfläche bietet. Diese
Aufgabe bedeutet vor allem eines: gut festhalten. – Der Kaffee nach
diesen anstrengenden und nassen Stunden auf See hat noch nie so
gut geschmeckt!“ (Logbuch-Auszug)
Erst sobald der Fuß wieder den Steg im Kieler Hafen berührt,
kommen die Gedanken an den Alltag zurück. Hinter Dir liegen
vielleicht nur drei Tage auf See, doch es fühlt sich an, wie zwei
Wochen Abenteuerurlaub in einer anderen Welt.

Komm an Bord!